Text Christian Aberle


Satan reimt sich auf Brathahn (bought back)
Christian Aberle über die Arbeit von Björn Saul, Köln, 2016

Immer wieder wurde ich beim Lesen von Byung Chul Hans Agonie des Eros1 daran erinnert, dass ich schon lange vorhabe, über Björns Arbeit zu schreiben – das erste mal, als der Begriff Hölle des Gleichen eingeführt wird (S. 6). In seinen, mit betont nachlässiger Präzision bemalten und zäsierten Bildträgern, Holzplatten, Kartons, Leinwänden, Papierbögen, Objekten und Installationen tauchen sie wiederkehrend auf - die Bilder, Objekte und Begriffe dieser Hölle, der laut Han unsere moderne Zivilisation immer mehr gleicht; Fanta als Fantasma...
Beim Versuch Björns formales Vorgehen zu beschreiben, erinnerte ich mich an eine Textpassage über einen taoistischen Maler aus dem 14. Jahrhundert: „ Ni Zan bemühte sich vor allem anderen um eine Strenge, die er malerisch umsetzt, indem er Elemente der Natur in extrem geläuterter Form darstellt und mit extra faden Strichen zeichnet.“2 Björn macht etwas ähnlich, nur möchte ich den Begriff fade durch lässig ersetzen. Der Gedanke von Gelangweiltheit spielt auf eine andere Weise eine Rolle. Die Arbeiten der Fokushima Serie (2011–2016) beispielsweise sind keineswegs fade, aber man könnte befürchten, ihnen ist fad – unseretwegen („Ich Bin Kunst, can't you see? Look at you, then look at me. I am art, your parody.“3). Aber die formale Eigenheit in Björns Objekten und Bildern speist sich vor allem aus dem Verhältnis von Strenge und Lässigkeit. Die Tatsache, dass seine Arbeiten auf selbstbewusste Weise unordentlich sind, enthebt das, was er abbildet oder schreibt der trostlosen Sphäre des Gleichen. Björn scheint über die Fähigkeit zu verfügen, beim Kunst Produzieren die Dreistigkeit eines 16 Jährigen zu aktivieren. Dieser Jugendliche müsste darüber hinaus über ein außerordentliches feines Kalkül und entspannte Skrupellosigkeit verfügen. Ausgestattet mit diesen Eigenschaften nimmt er das formale Vokabular für sich in Anspruch, in dem die triviale Welt sich mitteilt, aber unter konsequenter Außerachtlassung der angebrachten Orthografie und Satzstruktur. Dazu gehört unter anderem, dass er (wirklich) mit dem Skalpell und (nicht wirklich) mit Zahnpasta zeichnet und schreibt.
Der optische Eindruck hat bei Björn – bei aller Kühnheit –eine subtile Behutsamkeit. Seine lyrisch und malerisch kandierten Kalauer mögen manchen weh tun, aber er hat darauf vor vielen Jahren selbst die bestmögliche Antwort gegeben: „Das sind Wachstumsschmerzen.“

„Wir leben heute in einer Gesellschaft die zunehmend narzisstischer wird.Dem narzisstischen Subjekt erscheint die Welt nur in Abschattungen seiner selbst.4“ Einer solchen Gesellschaft darf man den permanenten Lobpreis monotoner Abziehbilder, denen sie sich umgekehrt anpasst, einfach nicht durchgehen lassen. Es macht Spaß, sich die Jungs, die Frisuren haben wie englische Rasen und scharenweise zur Games Convention pilgern, zwischen Björns Schmetterlingen vorzustellen: als Sinnbild des permanenten Verweises auf Differenz, der in fast allen seinen Arbeiten steckt.


1 Byung Chul Han, Agonie des Eros, 2012, Matthes & Seitz Berlin
2 François Cheng, Fülle und Leere, 2004, Merve Verlag Berlin, S.29
3 aus: Boy George, Ich bin Kunst, 2002
4 Byung Chul Han, Agonie des Eros, S. 6